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Uni und Kreißsaal

Einer der ältesten Berufe der Welt wird hochschulreif. Studierende des neuen Bachelorfachs HEBAMMENWISSENSCHAFT arbeiten im Vinzenzkrankenhaus und erzählen von Ihren ersten Erfahrungen.

 

Im Oktober 2021 haben erstmals Hebammenstudentinnen ihr Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) aufgenommen. Ihren Praxisteil
absolvieren die derzeit 29 angehenden Geburtshelferinnen in verschiedenen Kooperationshäusern – Lina Benecke (20 Jahre alt), Käthe Kampfhofer (21) und Liudmila Stirtz (34) im Vinzenzkrankenhaus. Im Dezember 2021 haben wir mit den drei jungen Frauen über ihre Eindrücke gesprochen.

Wie haben Sie die ersten drei Monate im Studium erlebt?
Käthe Kampfhofer: Im Studium lernten wir bisher biologische und biochemische Strukturen des Organismus sowie erste Grundlagen der Hebammentätigkeit. Neben berufsspezifischen Inhalten wie Mutterpass, Normwerte in einer Schwangerschaft oder prä- und postnatale Ernährung wurden wir auch aktiv auf unseren ersten Praxiseinsatz vorbereitet. Wir haben in Seminaren und Skillslabs zum Beispiel Kommunikation geübt und an Modellen gearbeitet.
Wie sind Sie auf das Hebammenstudium aufmerksam geworden?
Liudmila Stirtz: Ich bin Ingenieurin und habe diesen Beruf in verschiedenen Unternehmen in Russland ausgeübt. Vor drei Jahren bin ich nach Deutschland gekommen und wollte mich weiterentwickeln, ein erfülltes Leben führen. Als ich vom Hebammenstudium gelesen habe, hat mich das sofort interessiert, weil es die Möglichkeit bietet, ein medizinisches Studium zu absolvieren.
Lina Benecke:
Da meine Mama Hebamme ist, war der Beruf immer sehr präsent für mich. Ich höre seit meiner Kindheit spannende Geschichten aus dem Kreißsaal.
Das war ein ansprechender Karriereweg für mich. Jedoch habe ich auch lange Zeit überlegt, lieber Medizin zu studieren. Dass es jetzt ein Hebammenstudium gibt, hat meine Entscheidung beeinflusst, aber ich denke, ich hätte mich auch dann für den Beruf der Hebamme entschieden, wenn es noch eine Ausbildung wäre.

Was reizt Sie an dem Studium?
Käthe Kampfhofer: Für mich ist in erster Linie der Beruf der Hebamme sehr interessant, da ich es wichtig finde, Frauen und Familien in den vulnerablen Momenten der Schwangerschaft, Geburt und frühen Elternschaft zu unterstützen und sie für diese Zeit aufzuklären und zu begleiten.
Liudmila Stirtz: Es bietet eine akademische Ausbildung in einem medizinischen Beruf mit gleichzeitig viel Praxis. Außerdem kann ich in vielen Bereichen arbeiten und mich immer weiter fortbilden.

Wie läuft das Studium ab?
Lina Benecke: Wir studieren sieben Semester, wobei sich Theorie und Praxis abwechseln. In dreieinhalb Jahren sind 62Wochen Praxis vorgesehen, die wir in der uns zugeteilten Klinik sowie im Externat bei freiberuflichen Hebammen und hebammengeleiteten Einrichtungen absolvieren.

Wie gefällt es Ihnen bisher an der Uni?
Käthe Kampfhofer: Mir gefallen die ersten Wochen gut. Zwar zeigt sich für uns als erste Studierende der Hebammenwissenschaft an der MHH auch, dass die Organisation eines neuen Studiengangs nicht von Beginn an vollkommen sein kann, konkret, dass sich Fragen neu ergeben und sich zum Teil erst
im Laufe der Wochen oder für die nächsten Semester klären lassen. Jedoch ist diesbezüglich eine sehr offene und motivierte Haltung der Lehrenden und Verantwortlichen spürbar. Dies zeigt sich für uns Studierende in einem wertschätzenden Umgang, weil wir gehört und, wenn möglich, miteinbezogen
werden.
Lina Benecke: Wir sind außerdem gerade dabei, eine Fachschaft zu gründen, damit wir Hebammenstudentinnen uns in Zukunft mehr in der Uni einsetzen können.

Worauf freuen Sie sich im Praxisteil besonders?
Käthe Kampfhofer: Ich gehe sehr offen in meinen ersten Praxiseinsatz im Vinzenzkrankenhaus und freue mich, von den Kolleginnen zu lernen. Natürlich freue ich mich auch darauf, Gelerntes konkret anzuwenden und es so in einen realistischen Bezug zu bringen.

Fachliche Begleitung im Vinzenz Vivian Brendel, seit zwei Jahren Hebamme im Vinzenz, begleitet die Studentinnen. Ihre Ausbildung zur Praxisanleiterin umfasste 300 Lehrstunden. Sie fanden größtenteils online statt. In den ersten Tagen zeigt Vivian Brendel den Neulingen das Haus, gibt Einweisungen
in Hygienevorschriften und vieles mehr. „Dafür ist seit der Umstrukturierung zum Studium viel mehr Zeit. Das finde ich toll“, sagt Vivian Brendel, „vorher lief das viel nebenher.“ Sie selbst kann sich gut in die vier Lernenden einfühlen, denn sie gehörte in Hamburg zu den
allerersten Hebammenstudentinnen. „Ich finde es gut und richtig, dass die Ausbildung akademisiert wird. Es ist in den meisten europäischen Ländern so.“ Es sei wichtig für die Anerkennung des Berufs, denn „wir sind Medizinerinnen in unserem Bereich, lesen Studien, schauen auf Evidenzen“. Das Studium professionalisiere den gesamten Berufszweig noch weiter. Klar gebe es auch Vorbehalte zwischen studierten und gelernten Hebammen. Die ließen sich gut
ausräumen, wenn man deutlich mache, dass beide voneinander profitieren. Die einen bringen neueste medizinische Erkenntnisse, die anderen jahrelange Erfahrung. Beides sei für eine gute Geburtsbegleitung wichtig.